• a changing ratio

    Rosemarie Castoro and Liz Deschenes

        

    Photo: Dirk Tacke
  • Die Werke von Rosemarie Castoro und Liz Deschenes vereinen eine formale wie inhaltliche Auseinandersetzung mit medialen Grenzen und eine auf...

    Die Werke von Rosemarie Castoro und Liz Deschenes vereinen eine formale wie inhaltliche Auseinandersetzung mit medialen Grenzen und eine auf zeitliche Prozesse ausgelegte Arbeitsweise, die in der Tradition der Minimal Art stehen, aber auch darüber hinaus einen freien Umgang mit Materialität veranschaulichen. Die Ausstellung a changing ratio zeigt, wie sich das Schaffen beider Künstlerinnen ausgehend von ihren Anfängen im Bereich der monochromen Malerei in ein experimentelles, medienübergreifendes Feld einer prozesshaften Arbeitsweise und später ins Räumliche und hin zu einer den Körper miteinbeziehenden Reflexion öffnet.

     

    Dieser Viewing Room ist eine Erweiterung der Ausstellung in den digitalen Raum und bietet Einblick in das vielschichtige Œuvre von Liz Deschenes und Rosemarie Castoro über die ausgestellten Werke hinaus.

     

    Die Ausstellung findet in Kollaboration mit Galerie Thaddaeus Ropac London • Paris • Salzburg und Unterstützung von Miguel Abreu Gallery New York statt.

     

     

    Ausstellungsansicht | a changing ratio | Photo: Dirk Tacke

  • Liz Deschenes

    Photo: Dirk Tacke
  • Liz Deschenes

    Liz Deschenes

    Liz Deschenes (*1966) wurde in Boston geboren und lebt und arbeitet heute in New York. Sie besuchte die Rhode Island School of Art and Design, wo sie sich zunächst zum Studium der Malerei einschrieb, aber schließlich ihren Schwerpunkt zur Fotografie wechselte und 1988 abschloss. Deschenes beschäftigt sich in ihrem künstlerischen Werk mit der klassischen Definition von Fotografie als fixiertes Bild auf einer Fläche und erweitert diesen anachronistischen Blick, indem sie mit den Eigenschaften und Möglichkeiten des Mediums experimentiert. Durch kameralose Langzeitbelichtungen von lichtempfindlichem Papier, zu unterschiedlichen atmosphärischen Bedingungen und mithilfe späterer Fixierung mit einer Mischung aus Ammonium, Hydroxid und Silber, entstehen ihre einzigartigen Fotogramme. So entwickelt sie auch skulpturale und architektonische Objekte, die sowohl ihre Umgebung als auch den/die Betrachter/in durch Spiegelungen miteinbeziehen.

     

    In ihrem Werk ist die tiefgründige Auseinandersetzung mit der Geschichte der Fotografie allgegenwärtig. Ihre Arbeiten stehen inhaltlich in Bezug zu Louis DaguerreWilliam Henry Fox Talbot und formal zur Konzeptfotografie der 1960er Jahre, die die Selbstreflexivität für die Fotografie erschlossen hat. Die kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte des Mediums und der daraus resultierende, neuartige Umgang machen Liz Deschenes zu einer Pionierin auf dem Gebiet der zeitgenössischen Fotografie.

     

     

    Liz Deschenes | Photo: Stephen Faught, Miguel Abreu Gallery, New York

  • 'Depending on the day, the weather, the architecture, and the presence or absence of others in the gallery, each encounter...

    "Depending on the day, the weather, the architecture, and the presence or absence of others in the gallery, each encounter with Deschenes' work is a unique experience that speaks to our fundamental desire to be transformed by art."

     

    – Eva Respini, Chefkuratorin, Institute of Contemporary Art ICA, Boston

     

     

    Ausstellungsansicht "Liz Deschenes", Institute of Contemporary Art ICA, Boston (2016) | Photo: Charles Mayer

  • Liz Deschenes, Prototype for Gallery 7 (3), 2016 Liz Deschenes, Prototype for Gallery 7 (3), 2016 Liz Deschenes, Prototype for Gallery 7 (3), 2016

    Liz Deschenes

    Prototype for Gallery 7 (3), 2016

    Prototype for Gallery 7 (3) ist ein großformatiges Fotogramm, das in einem freistehenden Rahmen auf eine Aluminiumplatte aufgezogen ist und so gleichzeitig als fotografisches wie skulpturales Objekt fungiert. Liz Deschenes erkundet das materielle Potenzial der Fotografie unter Verwendung der elementaren Aspekte des Mediums: Fotopapier, Licht und Chemikalien. Deschenes zeitintensiver Arbeitsprozess beginnt damit, dass sie lichtempfindliches Papier dem Umgebungslicht der Nacht aussetzt und es anschließend mit Silbertoner wäscht und fixiert. Die so entstandenen Fotogramme tragen feine, abstrakte Spuren ihres Entstehungsprozesses und beziehen durch ihre spiegelnde Oberfläche sowohl die Betrachter/innen, die ihnen begegnen, als auch den räumlichen Kontext ihrer Präsentation mit ein. Da das Material zu weiterer Oxidation neigt, entwickeln sich die Arbeiten im Laufe der Zeit langsam weiter. Der Ausstellungsraum wird so zur Kamera, der je nach Lichteinfall die Veränderung der Oberfläche mitbestimmt. So absorbiert Prototype for Gallery 7 (3) einerseits Licht und macht die materielle Entwicklung der Fotografie erfahrbar und gleichzeitig reagiert das Objekt – wie auch die Werke Stereograph #35, FPF #1 und FPF #5 aus ihren weiteren Serien – auf seine Umgebung durch die Spiegelung von Bewegung in Zeit und Raum.

     

     

    Photo: Dirk Tacke

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  • Freistehende Fotogramme aus dieser Serie waren Teil der Ausstellung Gallery 7 (2015) im Walker Art Center in Minneapolis, in der die prozesshafte Wandlung der dem Licht unterschiedlich ausgesetzten Fotogramme über die Dauer eines Jahres mitverfolgt werden konnte. Weitere Teile waren zudem 2016 in einer umfangreichen Einzelausstellung im Institute of Contemporary Art in Boston zu sehen.

     

     

    Video "Liz Deschenes | Gallery 7", Walker Art Centre, Minneapolis (2015)

  • Liz Deschenes, Stereograph #35, 2019

    Liz Deschenes

    Stereograph #35, 2019

    Die schmale und hohe Wandskulptur Stereograph #35 besteht aus zwei langzeitbelichteten Fotogrammen, die im rechten Winkel zusammengesetzt sind und sich so von der Wand abheben. Liz Deschenes verwendet für die 2003 begonnene Werkserie der Stereographs lichtsensitives Papier, um kameralose, selbstreferenzielle Arbeiten zu schaffen. Sie selbst nennt ihren Ansatz stereografisch – ein Begriff, der ursprünglich in den 1850er Jahren entstand für zwei nahezu identische Drucke, die gepaart und durch ein Stereoskop betrachtet, eine 3-D-Illusion eines einzelnen Bildes erzeugen. Deschenes setzt diese Technik des Verdoppelns und Teilens ein, um dem/der Rezipient/in die Möglichkeit zu geben, aktiv an ihrer Arbeit teilzunehmen: „Meine Kunstwerke sollen zur aktiven Auseinandersetzung herausfordern. Die Betrachter/innen sind ein integraler Bestandteil des Kunstwerks, an dem sie partizipieren. Sie bekommen keine Darstellung von etwas Vergangenem, sondern einen physischen Gegenstand, an dem sie in der Gegenwart teilhaben." Die Künstlerin versteht Stereograph #35 weniger als klassisches Bild, sondern eher als eine Erfahrung, die an Raum und Zeit gebunden ist. Wie auch bei den Arbeiten FPF #1, (2018) und FPF #5 (2018) aktivieren die Betrachter/innen das Werk durch ihre Bewegung und Präsenz im Raum, wodurch sie vorübergehend zu einem Teil der Präsentation werden.

     

    Die ersten Werke der Serie Stereographs zeigte Liz Deschenes anlässlich ihrer Ausstellung in der Wiener Secession 2012 und entwickelt diese seither kontinuierlich weiter.

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  • Liz Deschenes, FPS(60) (2018), Pinault Collection. Installation view Luogo e Segni, Punta della Dogana, Venedig (2019) © Palazzo Grassi | Photo: Delfino Sisto Legnani e Marco Cappelletti

  • "I’m changing, the work is changing, the space is changing, the viewer is changing. We are all changing in relationship to each other. That is the goal."

     

    – Liz Deschenes

     

     

    Video "Liz Deschenes on her camera-less photography", San Francisco MoMA (2018)

  • Die Titel FPF #5 und FPF #1 (beide 2018), des zweiteiligen Fotogramms, aus der gleichnamigen Werkserie, verweist auf die Abkürzung...

    Die Titel FPF #5 und FPF #1 (beide 2018), des zweiteiligen Fotogramms, aus der gleichnamigen Werkserie, verweist auf die Abkürzung für „frame per foot“ und damit auf den Entstehungsprozess der Arbeit. Jedes Fotogramm der Serie wurde so lange belichtet, wie ein menschlicher Fuß für einen einzigen Schritt den Boden berührt, wobei sich die Dauer je nach Gang und Geschwindigkeit des Gehenden ändert. Deschenes bezieht sich dabei auf das Maß für Bilfrequenzen „frames per second“, die die Anzahl der Einzelbilder einer Kamera, die pro Zeitspanne aufgenommen werden, beschreibt. Die Künstlerin nutzt analoge fotografische Techniken um die Zeit als physische Einheit zu untersuchen und sichtbar zu machen. FPF  ist eine Aufzeichnung der materiellen Bedingungen seiner Entstehung. Je nach Helligkeit während der Belichtung des fotosensitiven Papiers und der Intensivität der chemischen Entwicklung verändert sich die Struktur der Oberfläche. An die Stelle einer vermittelnden Realität – beispielsweise eines Motivs in Form eines Fußabdrucks – tritt die unmittelbare Realität des fotografischen Prozesses. Die nebeneinander versetzt horizontal gehängten Arbeiten haben eine monochrome spiegelhafte Wirkung, die bei genauerem Hinsehen eine höchstindividuelle sensible Oberfläche offenbaren: „It changes, it oxidizes, it catches handprints if handled. It is a sensitive, vulnerable material.“ Die Fotografie ist nicht mehr nur eine Momentaufnahme, sondern sie nimmt die Einflüsse ihrer Umgebung fortwährend in sich auf. Wie auch die Arbeit Stereograph #35 sind FPF #5 und FPF #1 nicht als klassische Bilder zu sehen, sondern als eine Erfahrung, die an Raum und Zeit gebunden ist.

     

     

    Photo: Dirk Tacke

  • In Liz Deschenes Werk ist die tiefgründige Auseinandersetzung mit der Geschichte der Fotografie allgegenwärtig. Die Arbeiten aus der Serie FPF...

    In Liz Deschenes Werk ist die tiefgründige Auseinandersetzung mit der Geschichte der Fotografie allgegenwärtig. Die Arbeiten aus der Serie FPF stehen inhaltlich in Bezug zu Étienne-Jules Marey, einem Pionier in der Entwicklung des bewegten Bildes.

    In den 1880er Jahren baute Marey den ersten Chronophotographen, mit dem zunächst bis zu zehn Bewegungsphasen auf einer einzigen lichtsensitiven Oberfläche festgehalten werden konnten. Dabei stand die Analyse von physiologischen Phänomenen, wie der menschliche Gang, im Fokus. Nach der apparativen Aufzeichnung durch den fotografischen Apparat übersetzte Marey die Ergebnisse in Kurven, Diagramme und Graphen, die wie abstrakte Grafiken wirken. Deschenes Serie FPF sind eine Übertragung dieser wissenschaftlich anmutenden Aufzeichnungen und sind eine weitere Untersuchung von Zeit im Raum anhand fotografischer Mittel. Beide eint das Interesse an einer reduzierten Darstellung von Bewegung und Zeit. Die Hängung Deschenes meist zweiteiliger Arbeiten erinnert einerseits an Schrittabfolgen und sind andererseits direkte Referenzen auf Mareys Studien.

    Marey nutzte Fotografie als Möglichkeit menschliche Bewegungen in Phasen festzuhalten und legte damit Grundsteine für die Kinematographie, die ebenfalls eine intensive Auseinandersetzung in Deschenes Werk findet.

     

     

    Photo: Einladungskarte | Liz Deschenes, Rates (Frames per Second), 2018 at Miguel Abreu, New York

    • Liz Deschenes, FPF #1, 2018
      Liz Deschenes, FPF #1, 2018
    • Liz Deschenes, FPF #5, 2018
      Liz Deschenes, FPF #5, 2018
  • Liz Deschenes Werke wurden zuletzt 2019, parallel zur 58. Biennale von Venedig, innerhalb der Ausstellung „Luogo e segni” in der...

    Liz Deschenes Werke wurden zuletzt 2019, parallel zur 58. Biennale von Venedig, innerhalb der Ausstellung „Luogo e segni” in der Pinault Collection – Punta della Dogana präsentiert. Einzelausstellungen der Künstlerin wurden im ICA in Boston (2016), MASS MoCA in Massachusetts, Walker Art Centre in Minneapolis (beide 2015) und in der Secession in Wien (2012) gezeigt, während im selben Jahr Deschenes’ Werke auch auf der Whitney Biennale vertreten waren. Weitere ausgewählte Gruppenausstellungen fanden unter anderem im Musée d’Art Moderne in Paris (2016), im Whitney Museum of American Art (2015) und im Museum of Modern Art (2014) in New York, als auch im Fotomuseum Winterthur (2013) statt.

    Ihre Arbeiten sind unter anderem in den Sammlungen des Museum of Modern Art, des Metropolitan Museum of Art und des Whitney Museum of American Art in New York, sowie des Hirshhorn Museum and Sculpture Garden in Washington, dem Centre Pompidou und der Pinault Collection in Paris vertreten.

     

    → weitere Informationen zur Künstlerin

     

    Ausstellungsansicht "Liz Deschenes", Institute of Contemporary Art ICA, Boston (2016) | Photo: Charles Mayer

  • Video "Liz Deschenes", Institute of Contemporary Art ICA, Boston (2016)

  • Rosemarie Castoro

    Photo: Dirk Tacke
  • Rosemarie Castoro

    Rosemarie Castoro

    1939 - 2015

    Rosemarie Castoro wurde in Brooklyn geboren und arbeitete ihr gesamtes Leben in New York, wo sie in der Kunstszene der Minimal- und Concept Art zu einer zentralen Figur wurde. Nach ihrem Studium am Pratt Institute experimentierte sie mit verschiedenen Ausdrucksformen und Medien – von Zeichnung, Malerei und Installationen hin zu Choreografie und modernem Tanz. 1969 wandte sich Castoro von der Malerei ab und begann, sich mit neuen experimentellen Kunstformen der New Yorker Avantgarde zu beschäftigen: es entstanden in den folgenden Jahren konzeptuelle Textstücke, konkrete Poesie und performative Interventionen auf den Straßen. Ihren strengen, formalistischen Arbeiten liegt oft eine allegorische Doppeldeutigkeit zugrunde.

     

     

    Rosemarie Castoro, Studio performance in Beaver's Trap (detail) (1977). Vintage b&w self-timer Polaroid photograph. © The Estate of Rosemarie Castoro. Courtesy of Anke Kempkes Art Advisory | Galerie Thaddaeus Ropac, London • Paris • Salzburg

  • Rosemarie Castoro, Two Blues Band, 1965

    Rosemarie Castoro

    Two Blues Band, 1965

    Rosemarie Castoros Zeichnung Two Blues Band (1965) gehört zu ihren minimalistischen Interference Gemälde und Zeichnungen, die sie Mitte der sechziger Jahre schuf und in welchen Sie einen Bezug zwischen sich wiederholenden geometrischen Formen, Farbe und ihrer choreographischen Ausbildung und Aktivitäten herstellt. Castoro experimentierte nach ihrem Studium am Pratt Insitute, New York mit verschiedenen Ausdrucksformen und Medien – von Zeichnung, Malerei und Installationen hin zu Choreografie und modernem Tanz. Die rechteckigen blauen Formen in Two Blues Band verbinden ihre Interessen und können als Tanzschritte gelesen werden, welche sich in einem regelmäßigen Rhythmus von links nach rechts über das Blatt ausbreiten. Dabei zeigen sich Ähnlichkeiten zu Tanzstücken von Castoro und Yvonne Rainer – die als Gründerin des postmodernen Tanzes gilt – in welchen rechteckige Balken als Requisiten verwendet und auf der Bühne verschoben wurden. Der Titel Two Blues Band ist wörtlich und beschreibend zu verstehen und steht so in der Tradition des Minimalismus, welcher durch den Kunsthistoriker und Kunstkritiker Michael Fried auch als „Literalism“ bezeichnet wurde.

     

     

    Photo: Dirk Tacke

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  • “Castoro’s career exists in a lacuna at the very heart of canonized contemporary art history, within the New York art...

    “Castoro’s career exists in a lacuna at the very heart of canonized contemporary art history, within the New York art scene of the sixties and seventies. She was a key participant, and while scholarship and institutional recognition has been severely lacking, at the time there were curators who paid attention and included her work in important art exhibitions and events, and her regular gallery shows garnered frequent reviews in art journals and press.”

     

    – Tanya Barson, Chefkuratorin MACBA, Barcelona (2017)

     

     

    Photo: Dirk Tacke

  • Rosemarie Castoro, Orange China Marker, 1967 Rosemarie Castoro, Orange China Marker, 1967

    Rosemarie Castoro

    Orange China Marker, 1967

    Das großformatige Gemälde Orange China Marker (1967) steht am Ende einer Serie abstrakter Gemälde von Rosemarie Castoro, die im Verlauf der sechziger Jahre zunehmend monochromer wurde und in welcher die Struktur des Farbauftrags, als auch die Verwendung der Linie immer stärker hervortritt.

    Diese Malereien, welche häufig auch Prismacolor Paintings oder Pencil Paintings genannt werden, zeichnen sich mit ihren durchdringenden monochromen Flächen durch die dichte Wiederholung paralleler Linien aus. In Orange China Marker ist die orange Farbe diagonal von der linken unteren Ecke in die rechte obere Ecke aufgetragen. Überzeichnungen mit Prismacolor-Buntstiften, Wachsmalkreide (China Marker) und Bleistift überlagern die Pinselstriche und führen zu einem schimmernden Moiré-Effekt.

    Castoros Verwendung der Bleistiftlinie als sichtbarer Bestandteil der Malerei erinnert an das Werk der minimalistischen Malerin Agnes Martin (1912-2004), die sie zu dieser Zeit kennenlernte. Die Leinwand zeugt von Castoros erweitertem Verständnis von Malerei und Zeichnung, in dem Gattungsgrenzen verwischt und der traditionelle Medienbegriff umgeschrieben wird.

    Wie auch bei der Arbeit Two Blues Band (1965) ist der Titel Orange China Marker ganz im Sinne der Minimal Art wörtlich zu verstehen und verweist auf die Farbigkeit und Technik des Gemäldes.

     

     

    Photo: Dirk Tacke

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  • Rosemarie Castoro, Untitled (Concrete Poetry), 1969

    Rosemarie Castoro

    Untitled (Concrete Poetry), 1969

    Untitled (Concrete Poetry) (April 6, 1969) liest sich wie eine Aufzählung einer To-Do Liste, welche sich Castoro für den 6. April 1969 (so wurde das Blatt mit Bleistift datiert) vorgenommen hatte. Die Begriffe, die mit Filzstift Buchstabe für Buchstabe in die karierte Gitterstruktur des Blattes eingepasst sind, können dabei fast wie Aufforderungen gelesen werden: „wash, squeeze dry, swaddle, filter, flow, penetrate ...“ und sind mehrdeutig gewählt, so dass sich für den Leser/in und Betrachter/in kein eindeutiges Bild der Handlungen ergibt.

     

     

    Photo: Dirk Tacke

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  • Installation view "Rosemarie Castoro. Enfocar a l’infinit" (09/11/2017-15/04/2018), Collecció MACBA. Centre d’Estudis i Documentació. Fons Històric MACBA, © The Estate of Rosemarie Castoro © Museu d’Art Contemporani de Barcelona (MACBA) | Photo: Roberto Ruiz

  • “During the late 1960s, Rosemarie Castoro shifted from making paintings using graphic tools such as prismacolor markers, so making works on canvas from pens essentially, to making concrete poems from these same marker pens.”

     

    – Tanya Barson, Chefkuratorin MACBA, Barcelona (2017)

     

     

    Video "Rosemarie Castoro. Enforcar a l'infinit", MACBA, Barcelona (2017)

  • In der Serie der Concrete Poetries (1968-69) experimentierte Rosemarie Castoro sowohl mit Text, Sprache, Schrift und dem Schriftbild als auch...

    In der Serie der Concrete Poetries (1968-69) experimentierte Rosemarie Castoro sowohl mit Text, Sprache, Schrift und dem Schriftbild als auch mit der zeitlichen Ausdehnung von Handlungen und Sprache, in dem sie tagebuchartig ihre Aktivitäten dokumentierte und diese Gedichte wiederum laut vorsprach und sich dabei aufnahm. Diese Werke gehören zu den konzeptuellsten Arbeiten der Künstlerin und zeigen wie das Thema der Zeit sowie das Nachdenken über Zeit einen großen Schwerpunkt in ihrem Œuvre einnimmt und wie es ihr gelang, diese abstrakten Elemente bildhaft festzuhalten.

    Vergleichbar mit den zeitgleich entstandenen Inventory Zeichnungen, entwickelte Castoro in den tagebuchartigen Gedichten ein quasi-wissenschaftliches System, mit dem sie ihre täglichen Aktivitäten in einem beinahe übertriebenen Verhältnis strukturierte und aufzeichnete.

    Castoro teilte die Praxis der Concrete Poetry mit ihrem damaligen Partner und Bildhauer Carl Andre, der in seinen minimalistischen Gedichten mit der Schreibmaschine getippte Buchstaben und Wörter stapelte und auf dem Raum eines Blattes anordnete. Andre stellte das formale Bild von Sprache und die visuelle Repräsentation ihrer Struktur in den Mittelpunkt, wohingegen Castoro – die ihre Arbeiten auch laut rezitierte – ihre akustische Dichtung nach klanglichen und subjektiven Regeln gestaltete.

     

     

    Photo: Dirk Tacke

  • Rosemarie Castoro, Untitled (Concrete Poetry), 1969

    Rosemarie Castoro

    Untitled (Concrete Poetry), 1969

    Auch das Werk Untitled (Concrete Poetry) (May 28 / 29, 1969) kann ähnlich als Handlungsaufforderung gelesen werden, die sich Castoro scheinbar selbst als Aufgabe für den Tag stellte: „Go out, seek a reflection, find someone to discuss“. Das Blatt ist aufgeteilt in die Dokumentation zweier Tage (dem 28. und 29. Mai 1969) und hat einen sehr erzählerischen, aufzeichnenden Charakter, da der vierte Abschnitt sich auf den ersten zurückbezieht und zusammenfasst, was in der Zwischenzeit geschehen ist und erlebt wurde: „i will tell you when I return [...] in the morning, i did return from ...“.

     

     

    Photo: Dirk Tacke

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  • Rosemarie Castoros konzeptuelle Inventory Zeichnungen (1968-69) basieren auf alltäglichen Wahrnehmungen der Künstlerin, die sie in einem eigenen Zahlensystem strukturiert. In...

    Rosemarie Castoros konzeptuelle Inventory Zeichnungen (1968-69) basieren auf alltäglichen Wahrnehmungen der Künstlerin, die sie in einem eigenen Zahlensystem strukturiert. In Controlled Arbitrary Statements (1968) wird die visuelle Realität, beziehungsweise Bestandsaufnahmen (engl. Inventories) der Umgebung der Künstlerin in ein Zahlensystem von 1-5 eingeordnet. Raum, Distanz, Umgebung und ihre Beziehungen zueinander werden durch Messungen scheinbar rational abgesteckt. Durch den Widerspruch im Titel (auf deutsch „kontrollierte, willkürliche Aussagen“) wird die vermeintliche Systematisierung und Rationalität mit einem subtilen Humor entlarvt. In den Inventory Zeichnungen erforscht Castoro das Zusammenspiel zwischen Logik und Irrationalität und die Distanz zwischen subjektiv wahrgenommener und tatsächlicher Realität.

    Zentral bleibt dabei, wie bereits in ihren Pencil Paintings und Interference Drawings, die formale Optik der Linie, welche auch im Zentrum der Zeichnung Oct 25 1968 / Jan 24 1969 (1968-69) steht. Diese verweist auf Castoros beinahe obsessive Aufmerksamkeit für Zeit in einem Bezugsystem von diagonalen Linien und Daten, welche – wie auch bereits bei Controlled Arbitrary Statements – durch die Betrachter/in ohne Kenntnis des verwendeten Systems nicht zu deuten sind.

    Im Gegensatz zu den Pencil Paintings, in welchen neben der Linie die Materialität und Raumwirkung von zentraler Rolle ist, weisen die Zeichnungen auf Castoros zunehmende Hinwendung zur Konzeptkunst ab 1968 und haben einen aufzeichnenden Charakter.

     

     

    Photo: Dirk Tacke

    • Rosemarie Castoro, Controlled Arbitrary Statements, 1968
      Rosemarie Castoro, Controlled Arbitrary Statements, 1968
    • Rosemarie Castoro, Oct 25 1968 / Jan 24 1969, 1968-69
      Rosemarie Castoro, Oct 25 1968 / Jan 24 1969, 1968-69
  • Die abstrakten Formen der hohen, raumgreifenden Stahlskulpturen Black Flasher A und Black Flasher B (beide 1979) gehen auf die Modellierfähigkeit... Die abstrakten Formen der hohen, raumgreifenden Stahlskulpturen Black Flasher A und Black Flasher B (beide 1979) gehen auf die Modellierfähigkeit... Die abstrakten Formen der hohen, raumgreifenden Stahlskulpturen Black Flasher A und Black Flasher B (beide 1979) gehen auf die Modellierfähigkeit... Die abstrakten Formen der hohen, raumgreifenden Stahlskulpturen Black Flasher A und Black Flasher B (beide 1979) gehen auf die Modellierfähigkeit... Die abstrakten Formen der hohen, raumgreifenden Stahlskulpturen Black Flasher A und Black Flasher B (beide 1979) gehen auf die Modellierfähigkeit...

    Die abstrakten Formen der hohen, raumgreifenden Stahlskulpturen Black Flasher A und Black Flasher B (beide 1979) gehen auf die Modellierfähigkeit des Materials Papier zurück. Einer privaten Geschichte zufolge, hatte Castoros Mutter ihr 20-Dollar Geldscheine in eine Coca-Cola Flasche gesteckt und zugeschickt. Anschließend zerknitterte Rosemarie Castoro die normalerweise flachen 20-Dollar-Geldscheine weiter und stellte sie auf ihre schmale Kante aufrecht hin, wodurch sie die plastischen Eigenschaften des funktionalen Geldscheins spielerisch erkundete.

    Die beiden Black Flashers sind aus dünnem Stahl gefertigt und mit mattschwarzer Acrylfarbe bemalt. In diesen Werken spannt Castoro einen Bogen zu ihrer choreographischen und körperbezogenen Arbeit aus der Mitte der Sechziger Jahre wodurch sich ihr anhaltendes Interesse für die physische Erforschung des Raumes und dem Verhältnis zwischen Körpern und Geometrie bestätigt. In postminimalistischer Manier wird die geometrische Form (hier die rechteckige Grundform der Stahlblätter) als Ausgangslage verwendet und durch eine sinnliche Komponente erweitert, indem der Stahl zusammengeknittert und mit Farbe bemalt wird. Gleichzeitig wird sie mit dem persönlichen und autobiografischen Element der Erzählung über den Entstehungsprozess ergänzt und durch den Titel Flasher sexualisiert. Der Titel Flasher (dt. Exhibitionist) verweist auf diese körperliche Qualität der Skulpturen und impliziert physische Exponierung, jedoch tendenziell auf eine unscheinbare Weise. Auszeichnend für Künstler/innen der Postminimal Art ist, dass sie in Form eines Weiterdenkens der Minimal Art, die Abstraktion auch in Bezug auf den subjektiven und erotisierten Körper und die individuelle Psyche untersuchten.

    Die Werke wurden seit 1979 mehrfach im öffentlichen Raum in New York und Paris auf Gehwegen und Plätzen ausgestellt– die Begegnung mit dem/der Betrachter/in und die Gegenüberstellung von Körperlichkeit ist ein elementarer Bestandteil der Arbeit. Die Arbeiten Black Flasher A und Black Flasher B waren prominent in den beiden Ausstellungen im MACBA (2017) und MAMCO (2019) gezeigt.

     

     

    Photo: Dirk Tacke

  • "All of Rosemarie Castoro’s art is about a fine bond between mind and body – gestural, but above all disciplined. Its major impetus is kinaesthetic."

     

    – Lucy Lippard, Artforum (1975)

     

     

    Video "Rosemarie Castoro | Wherein lies the space", Galerie Thaddaeus Ropac, London • Paris • Salzburg (2019)

  • Rosemarie Castoro war eine Schlüsselfigur der New Yorker Kunstszene der sechziger und siebziger Jahre. Ihr Loft-Atelier in Soho, in welchem...

    Rosemarie Castoro war eine Schlüsselfigur der New Yorker Kunstszene der sechziger und siebziger Jahre. Ihr Loft-Atelier in Soho, in welchem sie von 1963 bis an ihr Lebensende arbeitete, war eine Drehschreibe für die Art Workers‘ Coalition und die Protagonisten der eng verbundenen Szene dieser Zeit, wie etwa Carl Andre, Sol LeWitt, Richard Long, Lawrence Weiner, Michael Heizer und Robert Smithson.

    Obwohl es ihr bis zu den beiden posthumen Ausstellungen am MACBA (2017) und MAMCO (2019) zu unrecht an wissenschaftlicher und institutioneller Anerkennung gefehlt hatte, schenkten bereits in den sechziger und siebziger Jahren Kurator/innen – wie Lucy Lippard und E.C. Goossen – und Galerist/innen – wie Tibor de Nagy, Virginia Dwan, und Paula Cooper – ihrer Arbeit große Aufmerksamkeit und boten Plattformen zur Präsentation ihrer Werke. So nahm sie 1966 an der von E.C. Goossen kuratierten und für die Definition der Minimal Art wegweisenden Ausstellung „Distillation“ teil. Ihre Werke wurden außerdem in mehreren von Lucy Lippards legendären Numbers Shows gezeigt, wie etwa „Number 7“, in der Paula Cooper Gallery (1969), „555,087“ im Seattle Art Museum (1969) und „995,000“ in der Vancouver Art Gallery (1970). Zudem gehörte Castoro neben Christine Kozlov und Adrian Piper zu den drei Künstlerinnen, die in Ursula Meyers Anthologie der Konzeptkunst (1972) vertreten und auch in Lippards Anthologie der Konzeptkunst (ebenfalls 1972) aufgenommen wurde.

     

    → weitere Informationen zur Künstlerin

     

    Rosemarie Castoro in front of a "Free Standing Wall" in her studio, Spring Street, New York (c. 1970) © The Estate of Rosemarie Castoro. Courtesy of Anke Kempkes Art Advisory | Galerie Thaddaeus Ropac, London • Paris • Salzburg

  • Video "Rosemarie Castoro | Time = space between appointment and meeting" , MAMCO, Genf (2019)

  • Werke der Ausstellung

    • Rosemarie Castoro, Black Flasher A, 1979
      Rosemarie Castoro, Black Flasher A, 1979
    • Liz Deschenes, FPF #1, 2018
      Liz Deschenes, FPF #1, 2018
    • Rosemarie Castoro, Untitled (Concrete Poetry), 1969
      Rosemarie Castoro, Untitled (Concrete Poetry), 1969
    • Liz Deschenes, Prototype for Gallery 7 (3), 2016
      Liz Deschenes, Prototype for Gallery 7 (3), 2016
    • Rosemarie Castoro, Black Flasher B, 1979
      Rosemarie Castoro, Black Flasher B, 1979
    • Rosemarie Castoro, Controlled Arbitrary Statements, 1968
      Rosemarie Castoro, Controlled Arbitrary Statements, 1968
    • Liz Deschenes, Stereograph #35, 2019
      Liz Deschenes, Stereograph #35, 2019
    • Rosemarie Castoro, Two Blues Band, 1965
      Rosemarie Castoro, Two Blues Band, 1965
    • Rosemarie Castoro, Oct 25 1968 / Jan 24 1969, 1968-69
      Rosemarie Castoro, Oct 25 1968 / Jan 24 1969, 1968-69
    • Rosemarie Castoro, Untitled (Concrete Poetry), 1969
      Rosemarie Castoro, Untitled (Concrete Poetry), 1969
    • Liz Deschenes, FPF #5, 2018
      Liz Deschenes, FPF #5, 2018